Die Gratiszahnspange als Bestandteil des Leistungspakets „Zahngesundheit“
Die zweite Phase des Zahnwechsels führt bei rd. 70 Prozent aller Kinder zu Problemen bei der Zahnstellung im Kiefer. Entweder sind die Zähne zu groß und/oder der Kiefer zu klein. In solchen Fällen sind der Ober- und Unterkiefer nicht mehr exakt aufeinander abgestimmt. Das Kind belastet dann beim Kauen oder Beißen die Kiefergelenke und den Kiefer falsch. Langzeitfolgen dieser Schieflage im Mund können Sprachfehler wie Lispeln, Knackgeräusche des Kiefers beim Kauen oder Beißen und sogar Rücken-, Ohren- oder Kopfschmerzen sein. Zudem kann schneller eine Karies entstehen, da die Zahnbürste nicht zwischen die schiefen Zähne kommt. Auch gelten schiefe Zähne als unattraktiv. Ein Kind mit schiefen oder schlechten Zähnen kann gesellschaftlich ausgegrenzt sein (z. B. durch Auslachen oder Verspotten). Eine solche gesellschaftliche Ausgrenzung führt in der Regel beim Kind zu einer enormen psychischen Belastung.
Eine Methode, um die Schieflage der Zähne im Mund erfolgreich zu korrigieren, sind Zahnspangen. Diese Behandlungsmethode ist besonders zielführend (beste Erfolgsaussichten) bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Denn bis zu diesem Alter wächst der Kiefer noch und ist gut formbar. Im Ergebnis dieser Behandlung sind von den Eltern regelmäßig zahnärztliche Behandlungskosten von 5.000 Euro aufzubringen.
Bis Juni 2015 war die Behandlung von schiefen Zähnen mittels einer Zahnspange davon abhängig, ob die Eltern sich die Behandlungskosten auch leisten konnten. Seit Juli 2015 ist diese Leistungslücke in der zahnärztlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen geschlossen. Sofern Kinder bzw. Jugendliche unter 18 Jahren besondere gesundheitliche Voraussetzungen erfüllen, können sie eine medizinisch notwendige Gratiszahnspange erhalten.
Ob eine Zahnspange medizinisch notwendig ist, stellt der behandelnde Zahnarzt, z.B. Prof. Dr. Dr. Dieter Müßig & Dr. med. dent. Arzu Karin Müßig auf Basis des international anerkannten IOTN (Index of Orthodontic Treatment Needs) fest. Mittels dem IOTN wird für den Schweregrad der medizinisch möglichen Fehlstellungen des Kiefers und der Zähne der Behandlungsbedarf in fünf Grade unterteilt. So besteht kein Behandlungsbedarf beim IOTN Grad 1 und sehr großer Behandlungsbedarf beim IOTN Grad 5. Als medizinisch notwendig gilt eine Gratiszahnspange erst ab dem IOTN Grad 4 (großer Behandlungsbedarf). Bis einschließlich IOTN Grad 3 (grenzwertiger Behandlungsbedarf) ist der Behandlungsbedarf seitens der Krankenkassen als kosmetische Korrektur bewertet. Es besteht hier kein Anspruch auf eine Gratiszahnspange, weil diese im Hinblick auf den IOTN medizinisch nicht notwendig ist. Entsprechend ihrer eigenen Bestimmungen können Krankenkassen in begründeten Ausnahmefällen eine Gratiszahnspange auch bereits ab dem IOTN Grad 3 genehmigen.
Bei der Inanspruchnahme der Gratiszahnspange ist zu beachten, dass die Behandlungskosten in Gänze nur übernommen werden, sofern der behandelnde Kieferorthopäde kassenärztlich zugelassen ist. Beauftragte kieferorthopädische Leistungen von Kieferorthopäden ohne kassenärztliche Zulassung sind Wahlleistungen. Die Kostenerstattung beträgt dann nur 80 Prozent des gültigen Kassentarifes. Kinder unter 10 Jahren haben einen Anspruch auf eine abnehmbare Zahnspange. Jugendliche ab 12 Jahren erhalten eine festsitzende Zahnspange.